Donnerstag, 18. Februar 2010

Die Italienische Sprache: Dialekte aus Apulien

Der erste Eindruck, den der Tourist in Apulien bekommt, ist der eines Landes, das dem Meer entsprungen ist.

Und eben vom Meer scheinen auch die „apulischen Stimmen“ zu enstehen, zu leben und zu sterben, die sich die dialektale Muttersprache ausgesucht haben, um uns von ihrem Land zu erzählen, wie zum Beispiel der aus Lecce stammende Giuseppe de Dominicis (1865–1905): „De nanti, mare e mare! Fenca rria la ista ete nnu specchiu nnargentatu, pràcetu, sotu … A ffundu, comu sia ca lu celu allu mare stae mmescatu“ („Gegenüber Meer und noch mal Meer! So weit das Auge reicht ein silberner Spiegel, ruhig, still … als ob sich am Ende der Himmel mit dem Meer vermischt hätte“).

Dieser äußerste Zipfel Italiens, reich an noch lebendigen und pulsierenden Traditionen, fester Sitz von Multikulturalität und Vielsprachigkeit, zeigt sich auch in sprachlicher Hinsicht alles andere als einheitlich. Im Wesentlichen kann man beim Dialekt dieser Region zwischen einem im eigentlichen Sinn apulischen Gebiet, das neuen Einflüssen ausgesetzt ist, also der Küste (der Gargano zum Beispiel weist auch abruzzische Einflüsse auf), und der eher konservativen und verschlossenen Zone des Salento unterscheiden. Dies hängt damit zusammen, dass die antiken Messapier, die die salentinische Halbinsel besiedelten, lange Zeit eine Art sprachliche Autonomie sowohl gegenüber den Griechen als auch gegenüber den Samniten bewahrten.

Die Unterscheidung zwischen Apulien und Salento ist bereits in der Phonetik feststellbar.

So neigt der apulische Dialekt dazu, die antiken lateinischen Lautgruppen nt, nc, mp zu nd, ng, mp und das s zu einem z stimmhaft zu machen, während sie der salentinische Dialekt in ihrer ursprünglichen Form bewahrt. Einer aus Bari wird also „candare“ statt „cantare“ (singen), „angora“ statt „ancora“ (noch), „tembo“ statt „tempo“ (Zeit) und „penziero“ statt „pensiero“ (Gedanke) sagen. Eine weitere phonetische Besonderheit, die ebenfalls dem samnitischen Einfluss zuzuschreiben ist, war die Umwandlung der Gruppen nd und ll in nn und dd, etwa in „quann“ für „quando“ (wann) und „cavadd“ für „cavallo“ (Pferd). Diese phonetische Eigenart hat allerdings auch Teile des Salento erfasst, belegt durch die Tatsache, dass man in einigen Dialekten zum Beispiel „quannu“ für „quando“ sagt.

Die Dialekte des apulischen Raums, vor allem die der Gegend um Bari, sind leicht auszumachen anhand des palatisierten a in Diphtongen – so wird das lateinische „frater“ (ital. fratello = Bruder) zu „freutë“ – und anhand des so genannten Vokalbruchs, das heißt der Abwandlung des Selbstlauts i zu öi oder ei, etwa in „gaddöine“ oder „gaddeine“ für „gallina“ (Henne). In den Dialekten der salentinischen Halbinsel hingegen fehlen all diese vokalischen Störungen. Das salentische Vokalsystem bewahrt das a und das e offen beziehungsweise verschlossen und unterlässt die für Süd- und Mittelitalien charakteristische Metaphonie (Vokalwechsel). Ein Fremder bekommt im apulischen Raum etwa „misi“ für „mese“ (Monat) und „chistu“ für „questo“ (dieses) zu hören. Ein anderes typisches Vokalphänomen, das den apulischen Dialekt vom salentinischen unterscheidet, ist die Aussprache des ë am Wortende; man sagt daher „casë“ für „casa“ (Haus) und „portë“ für „porta“ (Tür), wohingegen im Salentinischen die Vokalendungen klar ausgesprochen werden.

Bei den Sprachen, die die Dialekte Apuliens beeinflusst haben, dürfen Arabisch, Französisch und Spanisch nicht vergessen werden. Hierfür nur einige Beispiele aus dem Dialekt von Conversano (Provinz Bari). Das arabische Wort „thian“ (ein auf dem Feuer gekochtes Gericht aus Fleisch und Kartoffeln) ist erhalten geblieben in dem Wort „tied“, das einen Terrakottatopf bezeichnet. Das spanische Wort „loco“ (verrückt) taucht auf in „allucchenn“: So bedeutet „n-on si allucchenn“ so viel wie „Brüll nicht herum wie ein Verrückter!“ Mehr noch: Wenn man richtig zornig ist, sagt man „mo i-e abbusche“, was so viel heißt wie „Jetzt bekommst du sie [Schläge]“, aber nur wenige wissen, dass „abbusche“ vom spanischen „buscar“ (suchen, anstreben) abstammt. Hat man hingegen Lust auf ein gutes Bier, sagt man „damm nu buat -d bir“, was eben bedeutet „Gib mir ein Glas Bier“, wobei das Wort „buat“ vom französischen „boîte“ herkommt.

Auch im apulischen Dialekt scheint sich also zu bestätigen, was die aus Fasano (Provinz Brindisi) stammende Teresa Schettini Ammirabile klug in Versform gebracht hat: „…ogni dialette ji chieine de veite… de storia, d’usanze e d’altre valoure“ („… Jeder Dialekt ist voll von Leben …, von Geschichte, von Gebräuchen und anderen Werten“).

Quelle: http://www.contrasto.de/pugliese.htm





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen